Die römische Villa "Am Silberberg" wurde zwischen 1979 und 1992 ausgegraben und aufgrund ihrer hervorragenden Erhaltung als Museum zugänglich gemacht. Bei dem sichtbaren Bau handelt es sich bereits um das sog. Herrenhaus II, das in das 3. Viertel des 1. Jhs. n.Chr. datiert werden kann. Zu ihm gehören die hier aufgeführten beiden Malereikomplexe mit Szenen des Amphitheaters aus Raum 6 sowie 2/2, ferner ein weiteres Fragment aus der Porticus Raum 38. Die Dekorationen gehören ihrerseits wieder in unterschiedliche Bauphasen von Herrenhaus II und liegen zeitlich 1 bis 2 Generationen auseinander. Von besonderer Bedeutung ist die sog. Opferdienerwand, in welcher sich offenbar der seinerzeitige Besitzer der Villa als Spielegeber eines Gladiatorenkampf beim Opfer verewigen ließ.
Jagdszenen und Zirkusrennen in Raum 6
Beschreibung
Die Nordwand zeigt über einem rosagrundigen Spritzsockelstreifen abwechselnd schwarze Langfelder sowie Schmalfelder mit grünem karystischem Marmor und einem rotgrundigen Phantasiemarmor. In den Langfeldern sind sehr schlecht erhaltene Tierszenen dargestellt. Erkennbar sind im rechten Feld ein Tiger, der einen Stier zu Boden reißt, und im linken zwei nach rechts springende Raubkatzen. Die Farbreste des mittleren Feldes sind nicht mehr sicher deutbar. Die Szenen spielen sich auf einem grünen Bodenstreifen ab, pflanzliche Dekorationselemente bereicherten die Felder.
Auf der längeren Ostwand ist die Länge des einzigen im Ansatz erhaltenen schwarzen Sockelfeldes nicht erhalten; es war ungewöhnlich lang, vielleicht über die ganze Wandlänge durchlaufend. In dem Feld war in Miniaturformat ein Wagenrennen dargestellt. Erhalten sind die Räder zweier Wagen sowie die Füße der davonspringenden Pferde. Die Länge des Sockelfeldes ist durch die Darstellung erklärbar.
Die Malerei datiert in die Erbauungszeit von Herrenhaus II, d.h. kurz nach Mitte des 1. Jhs. n.Chr. Sie ist damit wenigstens eine Generation älter als die im folgenden noch darzustellende Ausmalung von Raum 2 aus der zweiten Etage. In Raum 6 handelt es sich zwar um eine konventionelle Darstellung von Darbietungen in der Arena und im Zirkus, vor dem Hintergrund jedoch, dass die Anklänge an Gladiatorendarstellungen und Opferszene in Raum 2 den späteren Villenbesitzer als Spielegeber feiern, stellt sich auch bei diesen Dekorationen die Frage, ob nicht auch sie bereits eine ähnliche Absicht verfolgten.
Literatur
H. Fehr, Roemervilla. Führer durch die Ausgrabungen am Silberberg Bad Neuenahr-Ahrweiler. Archäologie an Mittelrhein und Mosel 7 (Koblenz 1993) 57 Abb. 23.
R. Gogräfe, Die Wand- und Deckenmalereien der villa rustica „Am Silberberg“ in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Berichte zur Archäologie an Mittelrhein und Mosel 4 = Trierer Zeitschr. Beih. 20 (Trier 1995) 204 ff. Abb. 57–62.
R. Gogräfe, Die römischen Wand- und Deckenmalereien im nördlichen Obergermanien, Archäologische Forschungen in der Pfalz, 2 (Neustadt a.d.W. 1999) 38 Abb. 12; 254 f. Kat.-Nr. 55.
Opferdienerwand aus Raum 2/2
Beschreibung
Aus dem Versturz von Raum 2 stammt ein Feldersystem mit pompejanischroten Panneaus, das zu einem späteren Villenausbau in der zweiten Etage gehört: Raum 2/2, welcher den Grundriss des Erdgeschosses sicherlich wiederholte. Wichtigster Dekorationsträger sind die Lisenen und „Friese“. Wenigstens eine der Lisenen zeigt im oberen Bereich eine Szene mit einem Opfernden zwischen 2 kleinen Opferdienern, die auf einem Kranz stehen. In dem Kranz ist ein Adler dargestellt. Die Opferdiener tragen einen Lendenschurz und einen Laubkranz in den Haaren. Die rechte Figur hält in ihrer Rechten eine Opferkanne, in der Linken eine Opferschale. Die linke Figur trägt mit beiden Händen ein Tablett, auf dem ein Opfermesser sichtbar liegt. Die mittlere Figur ist ein Opfernder mit Opferschale, die er in seiner Rechten nach unten ausgestreckt hält. Er war mit einem Mantel bekleidet. Entsprechend seiner Handlung wurde sie entsprechen dem römischen Opferritus mit bedecktem Haupt (capite velato) rekonstruiert. In römischen Bereich kommen allerdings auch Darstellungen von Opfern ohne bedecktes Haupt - nach griechischem Ritus - immer wieder vor. Vom Kopf fehlt jede Spur.
Es gibt keine Fragmente, die zwingend eine weitere Figurengruppe nach sich zögen. Dafür scheint es wenigstens drei Kränze in den Lisenen gegeben zu haben. Es ist nicht sicher, ob sich die Kränze auf mehrere Lisenen verteilten - entsprechend den verschiedenen Wänden des Raumes - oder mehrere übereinandergestaffelt waren; unten hing ein flatterndes Band - eine Tänie - herab. Eine andere Wand dieses Raumes war mit einer einfachen Dekoration mit einem Schirmkandelaber bemalt, so dass maximal 3 Wände übrig blieben, auf die sich die verschiedenen Kränze verteilt haben könnten: Da wenigstens eine Wand aber durch eine Tür und eine weitere durch ein Fenster in wenigstens großen Teilen eingenommen wurde, reduziert sich der zur Verfügung stehende Platz für weitere Lisenen mit Kränzen sehr deutlich.
Über den Felderecken sind Reliefvasen dargestellt, an deren Fuß ein Bändchen reicht, das wahrscheinlich die gesamte Frieszone zierte. Zwischen diesen Vasen sind über die Felder Seewesen und Gladiatoren gemalt. Von den Seewesen ist allein das fischleibige Ende, nicht aber der vordere Teil bewahrt. Von den Gladiatoren ist der besser erhaltene als Samnit kenntlich. Wie sich Seewesen und Gladiatoren genau auf die verschiedenen Wände verteilten, kann nicht nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden. Man wird aber vermuten dürfen, dass es Darstellungen verschiedener Gladiatorenpaare gab.
Die Malerei datiert in eine erste Ausbauphase von Herrenhaus II, in welcher im östlichen Villentrakt eine zweite Etage aufgesetzt wurde. Diese Phase läßt sich allein stilistisch durch die oben beschriebenen Wandmalereien datieren und vermutlich gegen Ende des 1. Jhs. n.Chr. ansetzen. Sie wäre demnach mit der zweiten Bewohnergeneration von Herrenhaus II zu verbinden.
Bedeutung
Die gesamte Raumdekoration steht im Zeichen der Opferszene. Sie steht außerhalb des allzu typischen Dekorationsrepertoires römischer Wandmalereien und scheint eher als persönliche Repräsentation des Auftraggebers bzw. des damaligen Hausherrn zu verstehen zu sein. Den Kontext, in dem das Opfer stattfand, verdeutlicht am ehesten die Gladiatorenszene: Am Beginn von Spielen aller Art, zu denen auch Kämpfe von Gladiatoren zählen, stand das Opfer an die Götter. Die Darstellung dieser Funktion war dem Auftraggeber der Malerei am wichtigsten. Sie erinnert an die zentralen Opferszenen römischer Kaiser im pulpitum-Relief des Theaters von Sabratha oder im Fries der scaenae frons des römischen Theaters in Hierapolis: Der Kaiser war dort jeweils als oberster Spielegeber herausgestellt worden (vgl. auch Jos., ant. iud. XIX 1,13). Vor dem Hintergrund dieser Bildbedeutung wird man auch den ungewöhnlichen Lisenenschmuck mit Kränzen und Opferszene zu verstehen haben: Sie erinnern an die Szepter der Spielegeber, wie sie auf den spätantiken Diptychen von Konsuln (Areobindus) und anderen Spielegebern immer wieder vorkommen. Sie sind untereinander nicht gleich, enden aber sehr häufig in einem Kranz, in dem der Adler, ursprünglich Symboltier des obersten römischen Gottes Jupiter Optimus Maximus, steht. Adler und Kranz wurden dann aber auch in der Symbolik des römischen Reiches überhaupt und des römischen Kaisers verwendet. Über dem Kranz der Szepter von Spielegebern sieht man gelegentlich Kaiserbüsten, hier nimmt die bedeutungsvolle Opferszene diesen Platz ein. Ihre Ähnlichkeit zu römischen Militärstandarten ist immer wieder bemerkt worden, man kann sie aber auch anderen Standarten, die Opferprozessionen vorweg getragen wurden, an die Seite stellen.
Die spezifischen Blätter eines Kranzes können in anderen Zusammenhängen zusätzlich auf den Gott deuten, zu dessen Ehren das Opfer dargebracht wurde oder die Spiele veranstaltet wurden. Hier ist die Bestimmung der Blattsorte nicht wirklich klar. Dass die feinteiligen lappigen Ränder von Eichenblättern stammen, wie sie am Agon capitolinus verliehen wurden, ist möglich, doch ist dieses Detail wegen des Erhaltungszustandes der Malerei letztlich unklar. Daher wird man von diesem ikonographischen Detail aus auch nicht mit Sicherheit die Frage beantworten können, bei welchen Feiern der Villenbesitzer als Spielegeber auftrat: ob es verpflichtende munera waren, die er beim Antritt eines Amtes zu leisten hatte, oder ob es Spiele aus anderem Anlass gewesen sind.
Weiter können in dieser Hinsicht die beiden Opferdiener führen: Hält der rechte allein die Kanne als Werkzeug und Symbol des allzu verbreiteten Trankopfers, so trägt der linke auf seinem Tablett das Opfermesser (culter), Symbol eines blutigen Opfers. Die Verbindung von blutigem und unblutigem Opfer ist ein Merkmal des römischen Kaiserkultes und tritt im sog. Altargesetz von Narbo deutlich beschrieben hervor (CIL XII 4333): Dort wurde festgehalten, zu welchen Anlässen dem römischen Kaiser welche Art von Opfer darzubringen sei.
Wichtig genug bleibt jedoch der sich in den Malereien zeigende soziale Rang des Villenbesitzers, der als Veranstalter von Spielen in seiner Gemeinde zu den führenden Mitgliedern der Gesellschaft zählte. Diese Gemeinde war sicherlich die Colonia Claudia Ara Agrippinesium-Köln, deren Territorium bis zum Tal der Ahr gereicht haben soll. Ähnliche Bezüge werden für die Darstellung von Gladiatorenkämpfen aus der Villa von Maasbracht vermutet, die Spiele in der Colonia Ulpia Traiana-Xanten memorieren könnten.
Bei den auffälligen Reliefvasen über den Ecken der Hauptzonenfelder handelt es sich um sog. Preisvasen, die bei Spielen aller Art als Siegespreis verliehen wurden. In der pompejanischen Wandmalerei wurden sie sehr häufig in verschiedenen Formen dargestellt, vielfach auch im agonalen Zusammenhang. Beispiele sind etwa aus dem Peristyl 12 der Casa dello Scultore (VIII 7,24.22) oder dem Peristyl CC der Casa di Polibio (IX 13,1-3) u.v.a. bekannt.
Literatur
H. Fehr, Roemervilla. Führer durch die Ausgrabungen am Silberberg Bad Neuenahr-Ahrweiler. Archäologie an Mittelrhein und Mosel 7 (Koblenz 1993) 58 f. Abb. 24–26.
R. Gogräfe, Die Wand- und Deckenmalereien der villa rustica „Am Silberberg“ in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Berichte zur Archäologie an Mittelrhein und Mosel 4 = Trierer Zeitschr. Beih. 20 (Trier 1995) 181 ff. Abb. 30–33.
R. Gogräfe, Die römischen Wand- und Deckenmalereien im nördlichen Obergermanien, Archäologische Forschungen in der Pfalz, 2 (Neustadt a.d.W. 1999) 37 Abb. 11; 77 Abb. 41; 134 Abb. 97; 255 f. Kat.-Nr. 58.
M. Papini, Munera gladiatoria e venationes nel mondo delle immagini, Memorie, Accademia nazionale dei Lincei, Classe di scienze morali, storiche e filologiche, Accademia nazionale dei Lincei. Classe di scienze morali, storiche e filologiche, Atti della Accademia nazionale dei Lincei 19 (Rom 2004) 37. 160 Abb. 73.
weblinks:
de.wikipedia.org/wiki/Roemervilla_von_Bad_Neuenahr-Ahrweiler