Mechern, römische Villa (Gallia Belgica)
Ein außergewöhnlich gut erhaltener Zyklus von Gladiatorendarstellungen und verwandten Sujets stammt aus dem Korridor oder der Porticus der sog. Villa I von Mechern. Diese Villa wurde bis zur Höhe ihrer ehemals in situ erhaltenen Sockelmalereien planiert und darüber die Villa II erbaut. Von Henz/Schumacher wird die Villa I aus allgemeinen Gründen und nach der Baugeschichte in die 2. Hälfte des 2. Jhs. datiert. Vor dem Hintergrund der stilistisch früher erscheinenden Malereien wäre diese Datierung jedoch einer erneuten Diskussion zu unterziehen: Stilistisch gehören sie eher in das 1. Jh., möglicherweise in die neronisch/frühflavische Zeit.
Neben dem Korridor mit den Gladiatorendarstellungen gab es in einem Raum westlich davon weitere in situ erhaltene Sockelmalereien mit Essens-Stilleben, die in diesen Zusammenhang nicht weiter zu berücksichtigen sind, und östlich vom Korridor einen Raum mit Darstellungen von Rotwild. Auch auf diese ganz besonderen Dekorationen sei hier hingewiesen, weil sie über das Thema Wild möglicherweise eine Assoziationskette zum Thema Jagd und zu venatio-Darstellungen der Arena herstellen sollten. Aufgrund der fragmentarischen Erhaltung letzterer Malereien sind diese Zusammenhänge jedoch nicht klar.
AO: Museum für Vor- und Frühgeschichte, Schloßplatz 16, 66119 Saarbrücken
Beschreibung
Porticus bzw. Korridor
Westmauer
Im Längsfeld der Sockelzone ist über einem grünen Bodenstreifen die Karikatur eines Gnomes als allein kämpfender Gladiator zu sehen. Karikaturen von Zwergen und Krüppeln sind in der hellenistischen und römischen Kunst geläufig, doch kommen sie im Zusammenhang mit Kampfszenen aus der Arena nur selten vor. Der Kampf ohne Gegner an dieser Stelle könnte zum Vorprogramm vor den blutigen Kämpfen gehört haben. Die Darstellung des Zwerges erinnert an ein Schilderung der Saturnalien beim Dichter Statius, Silvae I 6,56-59, in der welcher eine Vorstellung von Zwergen als Gladiatoren gepriesen wird.
Lit.: I. Weiler, Hic audax subit ordo pumilorum (Statius, silvae 1, 6, 57). Überlegungen zu Zwergen und Behinderten in der antiken Unterhaltungskultur, Grazer Beiträge 21, 1995, 134 ff.; J.-M. Croisille, Stace peintre de realia, in: F. Delaure u.a. (Hrsg.), Epicedion. Hommage à P. Papinius Statius (Poitiers 1996) 241 ff.
Nordmauer
Über einer dunkelgrauen Plinthe mit Farbspritzern erhebt sich eine durchgehende schwarze Sockelzone. Sie ist durch senkrechte weiße Striche in Schmal- und Breitfelder unterteilt. Zusätzlich weisen die einzelnen Felder dreiseitig umlaufende, doppelte Binnenstriche in weiß und gelb auf. Die Schmalfelder zeigen grüne Pflanzenbüschel. Ursprünglich ließen sich 10 verschiedene Breitfelder erkennen. Zwei von ihnen waren so zerstört, daß sich allein ihre Existenz konstatieren ließ. Die 8 weiteren Felder waren mehr oder weniger gut erhalten und ließen die Thematik ihrer figürlichen Darstellungen meist klar erkennen. Es handelt sich jeweils um Szenen aus der Arena. 5 Felder von der Nordwand sind ausgestellt. In den ersten drei Feldern ist auf je einem grünen Bodenstreifen ein Gladiatorenpaar wiedergegeben. Darüber folgen ein gelber und ein rosa Streifen, weiterhin eine bunter Streifenfolge. Geringe Ansätze der Hauptzone zeigen, daß über den Landfeldern schwarze Panneaus und über den Schmalfeldern rote Lisenen folgten.
Sockelfeld 1 mit einem Kampf zwischen thraex und hoplomachus. Hierbei handelt es sich um die beiden am besten erhaltenen Figuren der Malereien aus Mechern. Beide Kämpfer sind ganz ähnlich bewaffnet und zeichen sich durch den gemeinsamen Krempenhelm aus. Der hoplomachus trägt jedoch einen kleinen Rundschild während der thraex einen rechteckigen Schild trägt. Hier hält der hopolomachus in seiner rechten eine Lanze und hinter seinem Schil das Kurzschwert. Der rechte Arm ist bandagiert. Den Unterleib schützt das subligaculum, unter das grünliche Strumpfhosen reichen. Beinschienen reichen bis auf die mittlere Höhe der Oberschenkel. Der thraex hält nur in der rechten Schwert und in der linken den bereits erwähnten Rechteckschild. Nur das linke Knie trägt eine kleine Schiene über einer Bandage, das rechte Knie ist nackt bis auf die Schuhe.
Sockelfeld 2 mit einem Kampf zwischen einem retiarius und einem secutor. Der retiarius ist an seinem mit weißen Strichen dargestellten Netz zu erkennen. Von seinem Gegenüber ist nur der untere Körperteil erhalten. Erkennbar sind links ein kurzes schwert und rechts der untere Teil eines Schildes. Zumeist ist es ein secutor, der gegen den retiarius kämpft.
Sockelfeld 3 mit einem Kampf zwischen zwei Leichtbewaffneten. Die beiden Kämpfer dieses Feldes stechen aus dem üblichen Figurenrepertoire heraus. Der linke ist mit grünen Hosen bekleidet und trägt darüber eine kurzämlige Tunika, die in der Taille mit einem weißen Gürtel umfaßt wird. Rotbraune Streifen verlaufen senkrecht über die Kleidung. Der von hinten ausholende rechte und ungeschützte Arm hält einen Stab, der unten in ein dünnes Band ausläuft und demnach nicht als das Kurzschwert des eques zu deuten ist, sondern eher als das laqueus, das Fallstrick oder Lasso des laquearius. Der erhobene linke Arm ist bandagiert. Auf dem Kopf sieht man eine grün/braun schraffierte Kappe, jedenfalls nicht den typischen Helm eines eques; dies spricht wiederum für die Deutung als laquearius, wie ein solcher wohl auch auf dem Mosaik von Nennig dargestellt ist. Die rechte Figur stürmt von der Gegenseite heran und trägt ebenfalls ein grünes Gewand. Verwischte Farben lassen erkennen, dass der Kopf mit einem Helm bedeckt war. Sein erhobener rechter Arm ist bandagiert und scheint mit seinem Gegner um eine Waffe zu ringen. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um ineinandergedrehte Lassos oder Knüppel. Der linke Arm ist angewinkelt und vor den Körper gehalten. Er ist in brauner Hautfarbe wiedergegeben und nicht bandagiert; über seinem Oberarm ist eine bläulichgrüne Schattierung sichtbar, vermutlich eine Armschiene, wie sie wiederum bei den laquearii des Nenniger Mosaiks vorkommen. In der Hand hält er einen Knüppel.
Sockelfeld 4 mit Raubkatzen einer venatio-Szene. Erkennbar ist eine nach rechts springende Raubkatze, unterhalb ihres Kopfes wird am linken Rand der Körper einer weiteren Katze (?) erkennbar. Wahrscheinlich reine Tierkampfszene, wie sie auch in Raum 6 der Villa von Ahrweiler sichtbar waren und auch in einer Wandmalerei der Villa von Nennig.
Sockelfeld 5 eines gallus cornicen, Horn-blasenden Hahnes. Die ungewöhnliche Darstellung spielt auf den beginn von Spielen an, bei denen man Horn-blasender Weise in die Arena einzog. Entsprechende Darstellungen sind von den Mosaikböden aus Nennig und Zliten sowie dem Barbotine-Becher aus Langenhain bekannt.
Lit.: W. Oenbrink, Musizierende Tiere? Zu einem Barbotine-Becher aus Krefeld-Gellep, Kölner Jahrbücher 28, 1995, 639 ff.; ders., Panem et Circenses. Szenen der Massenunterhaltung auf Kölner Jagdbechern, Kölner Jahrbuch 32, 1999, 782 ff.
Sockelfeld 6 mit Darstellung eines Greifen.
Sockelfeld 7 mit einer Jagdszene von Hund und Hasen.
Sockelfeld 7 (zerstört).
Sockelfeld 8 mit Darstellung eines Vogels.
Sockelfeld 9 (zerstört).
Raum mit Rotwild-Darstellungen (östlich des Korridors)
Lit.: A. Kolling/W. Schähle, Neue Funde im Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte (II). Wandmalereien aus der römischen Villa von Mechern, Saarheimat 14, 1970, Heft 5, 92 f. Abb. 3. 4; K. P. Henz/F.-J. Schumacher, Die römischen Wandmalereien von Mechern (Saarbrücken 1998) 11 Abb. 10; 24-25 Abb. 26–27.
Beschreibung:
Zwei verschiedene Darstellungen mit einheimischem Rotwild stammen ebenfalls von Sockelfeldern über einem Plinthenstreifen. Von diesen beiden Feldern ist nur eines ausgestellt. Es zeigt einen Hirsch mit mächtigem Geweih und eine dahinter stehende Hirschkuh.
Literatur
A. Kolling - W. Schähle, Neue Funde im Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte (II). Wandmalereien aus der römischen Villa von Mechern, Saarheimat 14, 1970, Heft 5, 91–94.
A. Kolling, Der Hahn bläst das Horn, Saarheimat 16, 1972, Heft 1, 8–10.
A. Kolling, Ein römisches Wandbild mit musizierendem Hahn, Germania 53, 1975, 174-176.
Die Römer an Mosel und Saar. Zeugnisse der Römerzeit in Lothringen, in Luxemburg, im Raum Trier und im Saarland (Mainz 1983) 60 mit Abb. auf S. 58 und 66.
H. Pflug, Helm und Beinschiene eines Gladiators, in: Antike Helme. Sammlung Lipperheide und andere Bestände des Antikenmuseums Berlin (Mainz 1988) 367 Abb. 3.
F.-J. Schumacher, Die römischen Wandmalereien von Mechern, in: Der Kreis Merzig-Wadern und die Mosel zwischen Nennig und Metz. Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, 24 (Stuttgart 1992) 122 ff. Taf. 8.
W. Weeber, Panem et circenses (Mainz 1994) 19 Abb. 21.
K.P. Henz/F.-J. Schumacher, Die römischen Wandmalereien von Mechern (Saarbrücken 1998).
M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod (Mainz 2000) 105 Abb. 145.
H.-P. Kuhnen (Hersg.), Morituri. Menschenopfer - Todgeweihte - Strafgerichte, Begleitbuch der Ausstellung 13. Mai-5. November 2000, Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier 17 (Trier 2000) 142 Abb. 46.
M. Pappini, Munera gladiatoria e venationes nel mondo delle immagini, Memorie. Atti della Accademia Nazionale dei Lincei, classe di scienze morali, storiche e filologiche 19/1, 2004, 68 Abb. 25-29.