Inschriften
Sitzplatzinschriften; CIL V 86,1-101.
Literatur: T. Jones, Pre-Augustan Seating in Italy and the West, in: T. Wilmott (Hrsg.), Roman Amphitheatres and spectacula: a 21st-Century Perspective, Papers from an international conference held at Chester, 16th-18th February, 2007, BAR Int. Ser. 1946 (Oxford 2009) 127-139.
Altar aus dem Nemesis-Heiligtum; CIL V 17; InscrIt X 1, 20:
Nemesi
Aug(ustae) sac(rum)
C(aius) Lecan-
ius Vita-
lis qui et
Serpulli-
us libe[ns]
posu(it)
Literatur: G. Luca Gregori, Regiones Italiae VI-XI, Epigrafia anfiteatrale dell'Occidente Romano, II (Rom 1989) 77.
Beschreibung
Das römische Amphitheater in Pula wurde etwa 200 m ausserhalb der damaligen Stadtmauern errichtet (extra muros). Die Grundform des Amphitheaters stellt keine Ellipse, sondern eine polyzentrische Kurve dar. Der Bau ist Nord-Süd orientiert. Zu Beginn wurde der Platz des Amphitheaters nivelliert, so dass genügend Fläche für den geplanten Bau vorhanden war. Das Amphitheater wurde insgesamt in drei Stockwerken über einem Untergeschoss gebaut; seine Höhe beträgt 32,45 m. Die Fassade der untersten zwei Stockwerke öffnete sich in 72 Archivolten, diejenige des dritten Stockwerks in 64 fensterartigen Öffnungen mit horizontalem Sturz. Das Amphitheater besaß zwei Haupteingänge.
Das Steinmaterial für den Bau des Amphitheaters in Pula wurde in der Cave Romane bei Vinkuran abgebaut, zum Teil auch in der Bucht von Soline bei Rovinj. Allein für den Bau der äusseren Ringkonstruktion des Amphitheaters benötigte man ungefähr 8.000m3 Steinmaterial, das man mit Schiffen auf die dortige Baustelle transportierte. Die Steinblöcke wurden mit Eisenklammern verbunden.
Über den Bau des Amphitheaters in der römischen Kolonie Pola liegen keine epigraphischen oder antike schriftliche Nachrichten vor. In der kroatischen Fachliteratur wird das Amphitheater in Pula in drei Bauphasen unterteilt. Die erste Phase wird bereits in die Regierungszeit von Kaiser Augustus datiert, weil die zerstörten Koloniestädte (Tergeste, Parentium, Pola) auf der westlichen Küste Istriens in seiner Zeit wiederaufgebaut wurden. Der grösste Teil der Denkmäler in Pula stammt vermutlich aus dieser Zeit. Aus diesen allgemeinen historischen Gründen wird die erste Bauphase des Amphitheaters von Pula in die Zeit von Kaisers Augustus (27 v.Chr.-14 n.Chr.) datiert. Schon in der Mitte des 1. Jahrhunderts kann es dazu gekommen sei, dass man das Amphitheatergebäude erneuern und vergrössern wollte. Die Archivoltenfassade und die Rustikaoberfläche der Bauquader haben in Rom in der Regierungszeit des Kaisers Claudius (41-54 n.Chr.) ihre Parallelen. Aufgrund dieser Ähnlichkeit wird die zweite Bauphase des Amphitheaters in die claudische Zeit datiert. Die dritte Bauphase und Vollendung des Amphitheaters wird Kaiser T. Flavius Vespasianus (79-81 n.Chr.) zugeschrieben. Demnach wurde das Amphitheater in Pula im ersten Jahrhundert vollendet.
Ein besonderes Merkmal des Amphitheaters in Pula stellen seine 4 turmförmigen Anbauten dar, die dem Gebäude zwischen seine Längs- und Querachsen appliziert wurden. Auch an diesen turmförmigen Konstruktionen setzen sich die bogenförmigen Öffnungen der zwei untersten und die rechteckigen Öffnungen des obersten Stockwerks fort. In diesen Anbauten befanden sich die hölzernen Treppenaufgänge, durch die man zu den obersten Stockwerken von ausserhalb des Gebäudes erreichen konnte.
Am Amphitheater von Pula lassen sich die Mastenlöcher der vela bzw. Sonnensegel erkennen, mit deren Hilfe die cavea des Amphitheater gegen große Hitze geschützt werden konnte.
15 Eingänge führten in den Innenraum des Amphitheaters bzw. zu seinen Zuschauerrängen. Zwischen Arena und Zuschauerraum liegen eine 3m hohe Brüstung sowie ein 1,6 m breiter Korridor. Die Tribünen für die Würdenträger lagen in den Querachsen der cavea. Der Zuschauerraum weist 30 Sitzreihen auf, die in Sektoren aufgeteilt waren. In den Substruktionen des Zuschauerraums befinden sich Lager-, Erholungs- und sonstige Hilfsräume. Innerhalb des Amphitheaters liegt auch das Entwässerungssystem, welches das Regen- und Brauchwasser nach außerhalb des Gebäudes kanalisierte. Unter dem Boden der Arena ist ein 58 m langer, 7,9 breiter und 3,7 m hoher unterirdischer Raum erhalten. Dieser Raum konnte mit Brettern auf 8 Säulen und 16 Pilastern abgedeckt werden, sodass hierauf die Kämpfe der wilden Tiere und der Gladiatoren unbeeinträchtigt stattfinden konnten. In diesem unterirdischen Raum konnte man alles lagern, was für die Gladiatorenkämpfe nötig war. Im Amphitheater befinden sich ferner Räume für die Haltung der wilden und exotischen Tiere. Man vermutet, dass sich eine Gladiatorenschule bzw. -kaserne außerhalb des Amphitheaters befand. An den Gladiatorenkämpfen konnten insgesamt 23.000 Zuschauer teilnehmen. Innerhalb des Amphitheaters gab es ein Heiligtum der Nemesis (nemeseum). Auch ein zweites Heiligtum wurde festgestellt, doch ist nicht klar, welcher Gottheit es geweiht war. Štefan Mlakar nimmt an, dass es sich dabei um einen Mithras-Heiligtum (mithraeum) handelt. Schließlich wurde eine Aplike der ägyptischen Gottheit Hathor innerhalb des Amphitheaters gefunden. Am Ende des 3. Jahrhunderts, zur Zeit der grossen Christenverfolgung, erlitt der heilige Germanus innerhalb des Amphitheaters sein Martyrium, an dessen Ende römische Soldaten ihn ausserhalb des Amphitheaters geköpft haben sollen.
In der Spätantike wurden die Gladiatorenkämpfe verboten, sodass das Amphitheater nicht mehr als solches gebraucht wurde. In dieser Zeit verfiel das Gebäude und es wurde in zunehmendem Maße zum Abbau von Steinmaterial genutzt. Schließlich gab es sogar den Plan der venezianischen Strategen, das ganze Amphitheater in Pula zu demontieren, es nach Venedig zu transportieren, und dort es wieder aufzubauen. Hierzu kam es nicht, sodass das römische Amphitheater auch noch heute ein Wahrzeichen Istriens bzw. Kroatiens darstellt.
(M. Buovac)
Literatur
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weblinks: