Quästoren waren die niedrigsten Beamten senatorischer Laufbahn und ursprünglich Gehilfen der Konsuln. Diese Funktion bestand bis in die hohe Kaiserzeit, als jedem Konsul zwei quaestores consulis zugeordnet waren. Mit der Zeit wurde der Aufgabenbereich der Quästoren erweitert, und neben der Tätigkeit als Untersuchungsrichter waren sie auch mit der Verwaltung der Staatskasse betraut, der Eintreibung von Steuern und Pachten und der Betreuung des Staatsarchives. Analog zu den quaestores consulis gab es in dieser Zeit auch jeweils zwei quaestores Augusti, die im Senat Reden des Kaisers verlasen.
In der frühen Kaiserzeit wurden den Quästoren als munus die Pflasterung von Straßen auferlegt, und unter Kaiser Claudius kam die Ausrichtung von Gladiatorenspielen als munus hinzu (Sueton, Claud. 24; Sueton, Dom. 4,1; Tacitus, ann. XI 22; XIII 5). Alle Quästoren hatten diese Spiele zunächst aus eigener Tasche zu bezahlen, bis Alexander Severus die Verpflichtung auf die vom Kaiser designierten Quästoren beschränkte und den übrigen Mittel aus der Staatskasse zur Verfügung stellte (Hist. Aug. Alex. 43): Letztere waren die quaestores arcarii, die noch im Kalender des Philocalus im Jahre 354 auftauchen und dort vom 4.-6., am 19. und vom 21.-23. Dezember munera veranstalteten. Erstere waren die candidati, welche am 8. und am. 20. Dezember ihre Spiele gaben. Den Quästoren stand Hilfspersonal zu, die sog. scribae, viatores und praecones.
Als munizipale Ämter Roms und Konstantinopels überdauerten diese Ämter auch die diokletianisch-konstantinischen Staatsreformen. Nach dem Jahre 356 n.Chr. wurden die Quästoren nicht mehr vom Kaiser bestimmt, sondern vom Senat gewählt (Cod. Theod. 6,4; Symm. ep. X 66).
Ein Schlaglicht auf die Verpflichtungen, die sich aus der Quästur und der mit diesem Amt verbundenen Aufgabe der Ausrichtung von Gladiatorenspielen ergab, wirft Symmachus in einer Verteidigungsrede für den jungen Valerius Fortunatus. Die Rede hielt Symmachus zu ungewissem Zeitpunkt vor dem Senat in Rom. Sie legt von dem Vorgang Zeugnis ab, dass Fortunatus als Angehöriger des Senatorenstandes, d.h. als vir clarissimus, in Augusta Emerita aufwuchs, seine Familie jedoch durch den vorzeitigen Tod seines Vaters zu verarmen drohte und er in dieser Lage den finanziellen Verpflichtungen, die sich aus der Zugehörigkeit zum Senatorenstand ergaben, nicht mehr nachkommen konnte. Folglich bat seine Mutter den Kaiser (d.i. vermutlich Gratian oder Valentinian I.), ihren Sohn aus dem Stand, dem ordo senatorius, zu entlassen. Dies zog jedoch nach sich, dass der Stadtrat von Emerita versuchte, ihn zur Übernahme des Dekurionenamtes zu zwingen. Beide Verhandlungen fanden in Rom statt. Fortunatus erreichte nun zwar seinen Wiedereintritt in den Stand der Senatoren und gleichzeitig die Entledigung von Pflichten, die sich aus dem Dekurionenamt in Emerita ergeben hätten, doch versuchte der römische Senat ihm dafür die Ausrichtung von munera, d.h. Gladiatorenkämpfen, abzuverlangen. Gegen diesen letzten Punkt wendete sich Symmachus und verlangte eine Quästur, welche den finanziellen Möglichkeiten des Fortunatus entsprach: Dies war das Amt des quaestor arcarius, das aus Mitteln des Staatshaushaltes unterstützt wurde.
Schriftquellen
Tacitus, ann. XI 22:
... Isdem consulibus P. Dolabella censuit spectaculum gladiatorum per omnis annos celebrandum pecunia eorum qui quaesturam adipiscerentur. Apud maiores virtutis id praemium fuerat, cunctisque civium, si bonis artibus fiderent, licitum petere magistratus; ac ne aetas quidem distinguebatur quin prima iuventa consulatum et dictaturas inirent. Sed quaestores regibus etiam tum imperantibus instituti sunt, quod lex curiata ostendit ab L. Bruto repetita. Mansitque consulibus potestas deligendi, donec cum quoque honorem populus mandaret. Creatique primum Valerius Potitus et Aemilius Mamercus sexagesimo tertio anno post Tarquinios exactos, ut rem militarem comitarentur. Dein gliscentibus negotiis duo additi qui Romae curarent: mox duplicatus numerus, stipendiaria iam Italia et accedentibus provinciarum vectigalibus: post lege Sullae viginti creati supplendo senatui, cui indicia tradiderat. Et quamquam equites iudicia reciperavissent, quaestura tamen ex dignitate candidatorum aut facilitate tribuentium gratuito concedebatur, donec sententia Dolabellae velut venundaretur.
„ ... Unter den gleichen Konsuln beantragte P. Dolabella, alljährlich ein Gladiatorenspiel auf Kosten derer abzuhalten, die die Quästur erlangen würden. Bei den Vorfahren war dies eine Belohnung für die Tüchtigkeit gewesen, und allen Bürgern, wenn sie sich auf gute Fähigkeiten stützen konnten, war es erlaubt, sich um Staatsämter zu bewerben. Und auch das Alter machte keinen Unterschied. Auch in früher Jugend konnte man das Konsulat und die Diktatur bekleiden. Doch die Quästur wurde noch während der Königsherrschaft eingerichtet, was durch die Erneuerung des Kuriatischen Gesetzes von L. Brutus bewiesen wird. Es verblieb den Konsuln die Befugnis, die Quästoren auszuwählen, bis das Volk auch diese Ehrenstellen vergab. Als erste wurden valerius Potitus und Aemilius Mamercus gewählt, 63 Jahre nach der Vertreibung der Tarquinier, mit dem Auftrag, das Kriegswesen zu betreuen. Als dann die Geschäfte wuchsen, kamen zwei weitere hinzu, die in Rom ihr Amt ausüben sollten. Bals wurde ihre Zahl verdoppelt, da bereits Italien steuerpflichtig war und die Abgaben der Provinzen noch hinzukamen. Darauf wurden aufgrund eines Gesetzes des Sulla zur Ergänzung des Senats, dem Sulla die Rechtsprechung übertragen hatte, 20 gewählt. Und obwohl der Ritterstand die Rechtsprechung zurückgewonnen hatte, wurde doch die Quästur nach der Würdigkeit der Bewerber oder durch das Entgegenkommen der diese Verleihenden ohne Gegenleistung zugeteilt, bis sie durch den Antrag Dolabellas gewissermaßen auf dem Markt käuflich wurde.”
Symmachus, or. 8,2-4.
(2) Subicite oculis, patres conscripti, imaginem quamdam subplicantis matronae et ante principum pedes filii ornamenta ponentis. ... Nam certe potuerat convenientem censibus suis, ut nunc facimus, petere quaesturam. Sed inopiae suae conscia hoc quoque ut gravissimum timuit, quo minus nihil est. Erat censurae vestrae, patres conscripti, Fortunati ostentationem notare, quod nullo postea rei familiaris auctus profectu vel minima fungi optat supra matris confessionem.
„ (2) Ruft euch, Patres Conscripti, das Bild der Frau vor Augen, wie sie ihr Anliegen vorbringt und den Kaisern die Rangabzeichen ihres Sohnes demütig zu Füßen legt. .... Sie hätte nämlich ohne Zweifel um eine Quästur, die ihrem Einkommen entsprach, bitten können, so, wie wir es jetzt machen. Aber aufgrund ihrer Armut fürchtete sie selbst das als zu schwer, was nur etwas mehr als rein gar nichts ist. Es hätte euch als Censoren, Patres Conscripti, oblegen, die Hochstapelei des Fortunatus zu rügen, weil er, der doch auch später keinen Zugewinn an Besitz mehr erfuhr, wenigstens den Mindestbetrag eines Senators zu entrichten wünschte, obwohl dieser das von seiner Mutter deklarierte Vermögen überstieg.
(3) ... et forte eo tempore tamquam vacuum dignitatis Emeritensis ordo pulsabat, ratus saltem mediocritati suae Fortunati conpetere facultates. Lis procedit ad forum: multa de genere et integrato natalium splendore dicuntur. Quae licent esse valida ad victoriam, plus tamen profuit, quod nec illis idoneus visus est. Ideo rennuerunt sterile certamen, adque ita noster hic quaestorius candidatus non magis ut senator obtinuit quam ut pauper evasit.
(3) ... Zufällig bedrängte ihn zu dieser Zeit, als er gewissermaßen ohne festen Rang war, auch der Stadtrat von Emerita, offenbar in der Meinung, die finanziellen Möglichkeiten des Fortunatus würden wenigstens für solch einen mittleren Status ausreichen. Der Prozess kam aufs Forum in Rom. Viele Worte machte man über die Herkunft und die wiedererlangten Glanz seiner Geburt: Sie allein hätten schon zum Sieg gereicht. Mehr aber noch half es ihm, dass er nicht einmal jenen Leuten leistungsfähig erschien. Sie gaben daher den fruchtlosen Kampf auf, und so behauptete sich dieser unser Anwärter nicht so sehr als Senator auf die Quästur, denn dass er als armer Kerl davonkam.
(4) Eligite nunc tempus, quo potuit, si modo umquam debuit, vocari ad tantae editionis inpensas: primis aevi sui annis senator esse desierat, proximis laboravit, ne minori curiae iungeretur. Num designari potuit a vobis aut per beneficium primae supplicationis alienus aut sub periculo secutae litis incertus?
(4) Sucht nun einen Zeitpunkt, an dem er, wenn er es überhaupt irgendwann mußte, zum Ausrichten solch kostenintensiver Spiele herangezogen werden konnte: In den ersten Jahren seines Lebens war er schon kein Senator mehr, in den nächsten war er bemüht, nicht in einen geringeren Senat inkorporiert zu werden. Konnntet ihr etwa einen Mann designieren, der aufgrund der wohlwollenden Gewährung der ersten Bitte ein Außenstehender war oder wegen der Risiken des Prozesses, der später folgte, von unklarem Rechtsstatus?” (Übers. nach A. Pabst)
Lit.: A. Chastagnol, Observation sur le consulat suffect et la préture au Bas-Empire, RH 219, 1958, 240-241 (JSTOR); A. Chastagnol, L'evolution de l'ordre sénatorial aux IIIe et IVe siècles de notre ère, RH 244, 1970 191-192 (JSTOR); A. Pabst, Quintus Aurelius Symmachus, Orationes - Reden, herausgegeben, übersetzt und erläutert, Texte der Forschung, 53 (Darmstadt 1989) 120-122. 280-286; Ch. Gabrielli, La povertà fra i senatori: il caso di Valerius Fortunatus e Tuentius, Cassiodorus 3, 1997, 265-271 (academia.edu); S. Panzram, Stadtbild und Elite: Tarraco, Corduba und Augusta Emerita zwischen Republik und Spätantike, Historia Einzelschriften, 161 (Stuttgart 2002) 303.
weblinks:
wikipedia (zu Symachus)
Literatur
Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht, II (Leipzig 1887) 532. 534-535.
O. Karlowa, Römische Rechtsgeschichte, I. Staatsrecht und Rechtsquellen (Leipzig 1885) 533.
O. Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diokletian (Berlin 1877) 286-287.
J. Marquardt, Römische Staatsverwaltung, III (Leipzig 18852) 487.
RE Suppl. III (Stuttgart 1918) 766 s.v. Gladiatores (K. Schneider)
O. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, II (Stuttgart 19212) 311-312. 563-564.
E. Stein, Histoire du Bas-Empire, I (Paris 1959) 121. 136.
RE 24 (Stuttgart 1963) 801-827 s.v. quaestor (G. Wesener), bes. 810-811. 820.
J.P.V.D. Balsdon, Life and leisure in ancient Rome (London - Sidney - Toronto 1969) 264.
S. Roda, Osservazioni sulla "Editio quaestoria" a Roma nell'età imperiale, Studie Romani 24, 1976, 151 ff.
W. Eck, Ein Quästor oder zwei Quästoren im kaiserzeitlichen Sizilien?, ZPE 86, 1991, 107-114 (academia.edu)