Juvenal III 29-40:
cedamus patria. vivant Artorius istic
et Catulus, maneant qui nigrum in candida vertunt,
quis facile est aedem conducere, flumina, portus,
siccandam eluviem, portandum ad busta cadaver,
et praebere caput domina venale sub hasta.
quondam hi cornicines et municipalis harenae
perpetui comites notaeque per oppida buccae
munera nunc edunt et, verso pollice vulgus
cum iubet, occidunt populariter; inde reversi
conducunt foricas, et cur non omnia? cum sint
quales ex humili magna ad fastigia rerum
extollit quotiens voluit Fortuna iocari.
„Verlassen wir also die Heimat. Hier mögen wohnen bleiben ein Artorius, ein Catulus, die Schwarz in Weiß verwandeln können, die mit Leichtigkeit die Reparatur von Tempeln, die Regulierung von Flüssen, den Ausbau von Häfen pachten können; die Kloakenreinigung übernehmen, Leichen zum Scheiterhaufen transportieren und bereit sind, öffentlich bankrott zu machen. Früher waren die Menschen Hornbläser, die mit den Fechterspielen von Ort zu Ort mitzogen, und wohlbekannte Backenbläser in den Provinzstädtchen; jetzt aber veranstalten sie selbst Spiele, und wenn der Pöbel es mit erhobenem Daumen befiehlt, lassen sie abschlachten, wen das Volk will. Hiervon zurückgekehrt, pachten sie öffentliche Bedürfnisanstalten - warum schließlich nicht alles Mögliche? Sind sie doch von der Art, wie sie Fortuna, wenn sie zu scherzen beliebt, vom niedrigsten Stand zur Prominenz erhebt."
Juvenal VI 60-81:
porticibusne tibi monstratur femina uoto
digna tuo? cuneis an habent spectacula totis
quod securus ames quodque inde excerpere possis?
chironomon Ledam molli saltante Bathyllo
Tuccia uesicae non imperat, Apula gannit,
[sicut in amplexu, subito et miserabile longum.]
attendit Thymele: Thymele tunc rustica discit.
ast aliae, quotiens aulaea recondita cessant,
et uacuo clusoque sonant fora sola theatro,
atque a plebeis longe Megalesia, tristes
personam thyrsumque tenent et subligar Acci.
Vrbicus exodio risum mouet Atellanae
gestibus Autonoes, hunc diligit Aelia pauper.
soluitur his magno comoedi fibula, sunt quae
Chrysogonum cantare uetent, Hispulla tragoedo
gaudet: an expectas ut Quintilianus ametur?
accipis uxorem de qua citharoedus Echion
aut Glaphyrus fiat pater Ambrosiusque choraules.
longa per angustos figamus pulpita uicos,
ornentur postes et grandi ianua lauro,
ut testudineo tibi, Lentule, conopeo
nobilis Euryalum murmillonem exprimat infans.
„Kann man dir auf allen Plätzen (Roms) eine Frau zeigen, die deinen Wünschen entspricht? Gibt es auf allen Sitzen im Theater eine, in die du dich unbesorgt verlieben, die du dir von dort herauspflücken könntest? Wenn der weibische Bathyllus die "Leda" tanzend darstellt, benässt sich Tuccia vor Erregung. Appula stöhnt plötzlich und gar kläglich wie in brünstiger Umarmung. Selbst Thymele beobachtet ihn. Thymele kann hier noch zulernen. Wenn aber der Vorhang weggepackt, das Theater geschlossen und nur noch auf dem Forum Betrieb ist - lange dauerts von den Ludi Plebeii bis zu den Megalesien - halten andere Damen wehmütig die Maske, den Thyrsusstab und die Unterhosen des Accius in der Hand. Urbicus bringt das Publikum zum Lachen, wenn er mit der Atellanenposse zum Nachspiel die Autonoë mimt: in ihn ist Aelia verschossen, aber sie ist zu arm. Solche müssen es sich nämlich etwas kosten lassen, des Komödianten Keuschheitsnadel zu lösen. Manche verderben sogar einem Chrysogonus die Stimme; die dicke Hispulla hat's mit einem tragischen Schauspieler: Oder glaubst du, man verliebt sich in (Professor) Quintilian? Du bekommst eine Frau, die den Harfenspieler Echion, die Glaphyrus oder den Flötenbläser Ambrosius zu Vätern macht. Lasst uns lange Tribünen in enger Gasse errichten, Pfosten und Türe auch seien mit reichlichem Lorbeer umwunden, damit in deinem mit Schildpatt ausgelegten Himmelbett, Lentulus, dein hochwohlgeborener Sprössling aussieht wie Euryalus oder ein Schwertfechter."
Juvenal VI 82-112:
nupta senatori comitata est Eppia ludum
ad Pharon et Nilum famosaque moenia Lagi
prodigia et mores urbis damnante Canopo.
inmemor illa domus et coniugis atque sororis
nil patriae indulsit, plorantisque improba natos
utque magis stupeas ludos Paridemque reliquit.
....
qua tamen exarsit forma, qua capta iuuenta
Eppia? quid uidit propter quod ludia dici
sustinuit? nam Sergiolus iam radere guttur
coeperat et secto requiem sperare lacerto;
praeterea multa in facie deformia, sicut
attritus galea mediisque in naribus ingens
gibbus et acre malum semper stillantis ocelli.
sed gladiator erat. facit hoc illos Hyacinthos;
hoc pueris patriaeque, hoc praetulit illa sorori
atque uiro. ferrum est quod amant.
„Eppia, die Gattin eines Senators, zog mit einem Gladiatoren nach Pharos, zum Nil, zur berüchtigten Stadt des Lagus. Deshalb hielt man sich sogar in Canopus über die Unsittlichkeit Roms auf. Ihr Haus, ihren Gatten, ihre Schwester vergaß sie; der Heimat gab die Ruchlose kein Gehör, auch nicht dem Weinen ihrer Kinder, ja, was noch erstaunlicher ist: Das Theater und (den Schauspieler) Paris verließ sie! ...
Von welcher Jugendschönheit aber ward Eppia betört? Was bewog sie, sich "Fechtertrulle" nennen zu lassen? Ihr Liebling, ihr Sergiolus, war kein junger Spund. Sein lahmer Arm ließ auf baldigen Ruhestand hoffen. Sein Gesicht war eine Wüsteinei, zerdrückt vom Helm, eine große Narbe auf der Nase, ein unappetitlicher Saft troff aus seinen Augen. Aber er war ein Gladiator. Dieses Wort läßt die ganze Brut schön wie Hyazinthus erscheinen und brachte Eppia dazu, ihn ihren Kindern, ihrer Heimat, ihrer Schwester, ihrem Mann vorzuziehen: Das Eisen ist es, das sie lieben."
Lit. zur Stelle: C. Edwards, Unspeakable professions: public performance and prostitution in ancient Rome, in: J.P. Hallett - M.B. Skinner (Hrsg.), Roman Sexualities (Princeton 1997) 78.
Juvenal VIII 183-210:
quid si numquam adeo foedis adeoque pudendis 183
utimur exemplis, ut non peiora supersint?
consumptis opibus uocem, Damasippe, locasti
sipario, clamosum ageres ut Phasma Catulli.
Laureolum velox etiam bene Lentulus egit,
iudice me dignus uera cruce. nec tamen ipsi
ignoscas populo; populi frons durior huius,
qui sedet et spectat triscurria patriciorum,
planipedes audit Fabios, ridere potest qui
Mamercorum alapas. quanti sua funera vendant
quid refert? uendunt nullo cogente Nerone,
nec dubitant celsi praetoris vendere ludis.
finge tamen gladios inde atque hinc pulpita poni,
quid satius? mortem sic quisquam exhorruit, ut sit
zelotypus Thymeles, stupidi collega Corinthi?
res haut mira tamen citharoedo principe mimus
nobilis. haec ultra quid erit nisi ludus? et illic
dedecus urbis habes, nec murmillonis in armis
nec clipeo Gracchum pugnantem aut falce supina;
damnat enim talis habitus [sed damnat et odit,
nec galea faciem abscondit]: movet ecce tridentem.
postquam vibrata pendentia retia dextra
nequiquam effudit, nudum ad spectacula voltum
erigit et tota fugit agnoscendus harena.
credamus tunicae, de faucibus aurea cum se
porrigat et longo iactetur spira galero.
ergo ignominiam graviorem pertulit omni
volnere cum Graccho iussus pugnare secutor. 210
„Kein Beispiel, das ich bringe, ist so beschämend, dass nicht noch Ärgeres zur Hand mir ist. Als, Damasippus, du dein ganzes Vermögen vertan hattest, vermietetest du der Bühne deine Stimme, um brüllend im Gespenst des Catullus aufzutreten. Hübsch mimte ausch der flinke Lentulus den Laureolus, so gut, dass, auf mein Wort, der ein wirkliches Kreuz verdiente. Freilich, auch dem Volk gebührt keine Verzeihung, dem Vok, das schamlos dasitzt und zuschaut, wie Patrizier als Possenreißer auftreten, Fabier als Schauspieler im Schwank, und das lachen kann, wenn man Mamerker backpfeift. Doch was machts aus, wenn viele sich so Ehrverlust erkaufen, sich verkaufen, wenn kein Nero sie dazu zwingt, sich unbedenklich des hohen Prätors Spiel verkaufen? Doch nimm selbst an, hier droht das Schwert, dort steht die Bühne: Was wäre besser? Fürchtet jemand den Tod so sehr, dass er lieber als Thymeles eifersüchtiger Hahnrei, als Kollege des Narren Corinthus aufträte? Doch ist es nicht verwunderlich, wenn unter einem Fürsten, der Musikant ist, ein Schauspieler adlig wird. Was gibt's doch darüberhinaus? Den Gladiatorenkampf. Da hast du die Schmach der Großstadt. Gracchus kämpft nicht in der vollen Rüstung eines Murmillo noch mit dem Rundschild und Krummdolch (solches Auftreten verdammt er, wie er sich selbst verdammt, sich selbst zuwider ist). Nein sein Gesicht verbirgt er nicht im Helm, sondern er schwingt, siehe, den Dreizack. Und hat er mit dem Fangnetz wirbelnd, seinen Wurf verfehlt, so blickt er bloßen Hauptes auf zum Publikum. Wie er durch die Arena flüchtet, erkennt ihn jedermann. Wir müssen es wohl glauben, wenn vom Kragen seiner goldbestickten Tunika und von seiner Kappe lange Bänder flattern. Schändlicher als jede Verwundung ist es daher für einen Sekutor, wenn man ihn zwingt, gegen einen Gracchus anzutreten."
Juvenal VIII 199-209:
haec ultra quid erit nisi ludus? et illic
dedecus urbis habes, nec murmillonis in armis
nec clipeo Gracchum pugnantem aut falce supina;
damnat enim talis habitus [sed damnat et odit,
nec galea faciem abscondit]: movet ecce tridentem.
postquam vibrata pendentia retia dextra
nequiquam effudit, nudum ad spectacula voltum
erigit et tota fugit agnoscendus harena.
credamus tunicae, de faucibus aurea cum se
porrigat et longo iactetur spira galero.
ergo ignominiam graviorem pertulit omni
volnere cum Graccho iussus pugnare secutor.
„Was gibt's doch darüber hinaus? Den Gladiatorenkampf. Da hast du die Schmach der Großstadt. Gracchus kämpft nicht in der vollen Rüstung eines Murmillo noch mit dem Rundschild und Krummdolch (solches Auftreten verdammt er, wie er sich selbst verdammt, sich selber zuwider ist); nein, sein Gesicht verbirgt er nicht im Helm, sondern er schwingt, siehe, den Dreizack. Und hat er, mit dem Fangnetz wirbelnd sein Wurf verfehlt, so blickt er bloßen Hauptes auf zum Publikum. Wie er durch die Arena flüchtet, erkennt ihn jedermann. Wir müssen es wohl glauben, wenn vom Kragen seiner goldbestickten Tunika und von seiner Kappe lange Bänder flattern. Schändlicher daher als jede Verwundung ist es für den Gladiator, wenn man ihn zwingt, gegen einen Gracchus anzutreten."
Juvenal X 77-81:
iam pridem, ex quo suffragia nulli
uendimus, effudit curas; nam qui dabat olim
imperium, fasces, legiones, omnia, nunc se
continet atque duas tantum res anxius optat,
panem et circenses.
Schon lange, seit wir unsere Stimmen niemendem mehr verkaufen, kümmert sich die menge um nichts: Das Volk, das einst Imperium, die Fasces, die Armee, kurz, alles verlieh, hält sich zurück jetzt: Nach zwei Dingen nur lechzt es – nach Brot und Spielen.