Gallienus wurde um das Jahr 218 als Sohn des späteren Kaisers Valerian und dessen Frau Egnatia Mariniana geboren. Er war mit Salonina verheiratet und hatte drei Söhne, die Valerianus, Saloninus und Marinianus hießen. Von 253 bis 260 war er Mitregent seines Vaters, seit dessen Gefangennahme durch die Perser im Jahre 260 bis zu seinem Tod 268 Alleinherrscher. Anders als die meisten Soldatenkaiser entstammte er der Nobilität. Die Zeit seiner Regierung ist durch den Höhepunkt der Reichskrise im 3. Jh. gekennzeichnet: Während Gallienus sich als Mitkaiser und mit wechselndem Erfolg um die Sicherung der Grenzen an Rhein und Donau kümmern musste, stand sein Vater im Heer des Ostens, wo er in persische Gefangenschaft geriet und dort auch starb. Dieser Höhepunkt der römischen Reichskrise scheint ihn zumindest nach der Historia Augusta nicht davon abgehalten zu haben, einen Triumphzug mit persischen Gefangenen zu veranstalten, welche als 'vorgebliche Perser' bezeichnet wurden, und die scheinbar mit Ludi verbunden waren. Später konnte Gallienus den rätisch-germanischen Limes nicht halten wie auch die Bildung eines gallischen Sonderreiches mit der Hauptstadt Trier nicht verhindern. 268 konnte er zwar einen Sieg über ein Heer der Goten erringen, wurde dann aber bei einem sich unmittelbar anschließenden Anschlag in Mailand durch sein Heer getötet.
Gallienus wird in den antiken Quellen sehr negativ gezeichnet, doch wird aus kunsthistorischer Seite seine Regierungszeit als 'gallienischen Renaissance' bezeichnet mit bewußten Anknüpfungen an den Klassizismus der Kaiser Hadrian und Augustus. Er interessierte sich für griechische Kultur, Kunst, Religion und Philosophie, wobei er mit dem Philosophen Plotin in Kontakt stand. Speziell aus der Sicht des antiken Spielewesens sind die Feiern seiner Dezennalien zu bemerken, die mit Veranstaltungen in Amphitheater, Circus und Theater einhergingen. Bei den Dezennalien früherer Herrscher tritt die Veranstaltung diverser ludi dagegen nicht so deutlich hervor. Feiern zu seinem Geburtstag sind dagegen nicht bekannt.
Quellentexte
SHA, Gallieni duo III 6-7:
III 6 Sed Gallienus cognito, quod Macrianus cum suis liberis esset occisus, quasi securus rerum ac patre iam recepto, libidini et voluptati se dedidit. III 7 Ludos circenses ludosque scaenicos, ludos gymnicos, ludiariam etiam venationem et ludos gladiatorios dedit populumque quasi victorialibus diebus ad festivitatem ac plausum vocavit.
„ (3,6) Doch Gallienus gab sich auf die Kunde vom Untergang des Macrianus und seiner Söhne einem ausschweifenden Genussleben hin, als wäre er Herr der Lage und sein Vater (d.i. Valerian in persischer Gefangenschaft) wieder frei. (3,7) Er veranstaltete Zirkus- und Theaterspiele, gymnische Spiele und eine Tierhetze im Zirkus und Gladiatorenspiele und lud das Volk zu Festtrubel und -jubel, als gelte es, Siegesfeiern abzuhalten.”
SHA, Gallieni duo IX 3:
IX 3 Nec tamen Gallienus ad talia movebatur obstupefacto voluptatibus corde sed ab his, qui circum eum erant, requirebat : "Ecquid habemus in prandio ? Ecquae voluptates paratae sunt? Et qualis cras erit scaena qualesque circenses ?"
„ ... vielmehr erkundigte er sich bei seiner Umgebung: Was gibt's zum Frühstück? Was für Unterhaltungen sind vorbereitet? Was wird es morgen im Theater geben und welche Zirkusspiele werden stattfinden? .... "
Siegesfeier über die Perser; SHA, Gallieni duo IX 5-7:
IX 5 Praetereundum non est haud ignobile facetiarum genus. Nam cum grex Persarum quasi captivorum per pompam - rem ridiculam - duceretur, quidam scurrae miscuerunt se Persis, diligentissime scrutantes omnia atque unius cuiusque vultum mira inhiatione rimantes. IX 6 A quibus cum quaereretur, quidnam ageret illa insolentia, illi responderunt : "Patrem principis quaerimus." 7 Quod cum ad Gallienum pervenisset, non pudore, non maerore, non pietate commotus est scurrasque iussit vivos exuri.
„ (9,5) Ein kapitaler Spaß darf nicht übergangen werden: Als nämlich ein Trupp angeblich persischer Gefangener in dem Festzug - welch ein lächerliches Schauspiel - vorgeführt wurde, mischten sich etliche Possenreißer unter die Perser, untersuchten alles ganz genau und forschten in eines jeglichen Miene, wobei sie in auffälliger Weise das Maul aufsperrten. (9,6) Auf die Frage, was dieses seltsame Benehmen bedeuten solle, antworteten sie: 'Wir suchen den Vater des Kaisers'. (9,7) Als die Nachricht von diesem Zwischenfall Gallienus erreichte, regte sich weder Scham, Trauer oder Sohnesliebe, vielmehr ließ er die Possenreißer lebendig verbrennen.”
Kommentar: Angesichts der Gefangennahme Kaiser Valerians durch die sassanidischen Perser mutet der Triumphzug grotesk an, doch hatte auch schon Alexander Severus keine Hemmungen gehabt, einen solchen gepaart mit Spielen im Amphitheater, im Circus und im Theater nach einem hinsichtlich seines Erfolges sehr zweifelhaften Krieges gegen die Perser zu veranstalten. Möglicherweise fanden die Veranstaltungen aber nicht mehr unter dem Eindruck der Gefangennahme Valerians statt, sondern nachdem ein sassanidischer Einfall nach Antiocheia in Syrien durch die römischen Generäle Macrianus und Callistus zurückgeschlagen werden konnte und der mit römischem Oberbefehl ausgestattete Odeinath aus Palmyra, Gatte der Zenobia, in den folgenden Jahre Teile Mesopotamiens zurückeroberte.
SHA, Gallieni duo XII 2-5:
(2) Fuit praeterea idem ingeniosissimus, cuius ostendendi acuminhis scilicet pauca libet ponere: (3) nam cum taurum ingentem in harenam misisset exissetque ad eum feriendum venator neque productum decies potuisset occidere, coronam venatori misit, (4) mussantibusque cunctis, quid rei esset, quod homo ineptissimus coronaretur, ille per curionem dici iussit: (5) "Taurum totiens non ferire difficile est."
„ (2) Außerdem war er sehr geistreich, wofür es mir erlaubt sei, einige wenige Proben als Belege seines scharfen Verstandes anzuführen: (3) Er hatte einen riesigen Stier in die Arena geschickt. Als nun der venator aufgetreten war, um ihn zur Strecke zu bringen, er ihn aber in zehn Gängen nicht zu erlegen in der Lage war, verlieh er ihm einen Kranz. (4) Als das Publikum murrte, was das denn für eine Art sei, einen solchen Stümper zu bekränzen, ließ der Kaiser durch den Ansager bekannt machen: «Einen Stier so oft zu verfehlen, ist gar nicht so einfach».“
SHA Gallieni duo XIV 5:
Sed cum imperium capere vivo Gallieno non possent, huius modi eum insidiis adpetendum esse duxerunt, ut labem inprobissimam malis fessa re p. a gubernaculis humani generis dimoverent, ne diutius theatro et circo addicta res p. per voluptatum deperiret inlecebras.
„Doch da sie den Thron zu Lebzeiten des Gallienus nicht besetzen konnten, dachten sie folgendes Attentat auf ihn auszuüben, um den ruchlosen Schandkerl vom Regiment über die Welt in dem von Katastrophen heimgesuchten Staat zu entfernen, damit der Staat, ausgeliefert dem Theater und dem Zirkus, nicht länger im Strudel der Lustbarkeiten zugrunde gehe."
SHA, Gallieni duo XVII 7:
... Mensam secundam scurrarum et mimorum semper prope habuit.
„Fast immer ließ er beim Nachtisch Possenreißer und Mimen auftreten."
Dezennalien; SHA, Gallieni duo 7,4-8,7:
7,4 Interfectis sane militibus apud Byzantium Gallienus, quasi magnum aliquid gessisset, Romam cursu rapido convolavit convocatisque patribus decennia celebravit novo genere ludorum, nova specie pomparum, exquisito genere voluptatum. | „ (7,4) ... er (d.i. Gallienus) rief den Senat zusammen und beging sein 10-jähriges Thronjubiläum durch eine neue Art von Spielen, durch eine neue Gattung von Festaufzügen, mit allen erdenklichen Lustbarkeiten. |
VIII. 1 Iam primum inter togatos patres et equestrem ordinem albato[s] milite[s] et omni populo praeeunte, servis etiam prope omnium et mulieribus cum cereis facibus lampadis praecedentibus Capitolium petit. | (8,1) Zuerst begab er sich auf das Kapitol, umgeben von den Senatoren in der Toga und von den Mitgliedern des Ritterstandes, unter Vorantritt des weiß gekleideten Militärs und des gesamten Volkes, wobei auch fast die gesamte Sklavenschaft und die Frauen mit Wachstafeln und Lichtern voranzogen |
2 Praecesserunt etiam altrinsecus centeni albi boves cornuis auro iugatis et dorsualibus sericis discoloribus praefulgentes; | (8,2) Auch zogen zu beiden Seiten je 100 Rinder mit vergoldeten Hörnern und im Schmuck von bunten seidenen Schabracken einher. |
3 agnae candentes ab utraque parte ducentae praecesserunt et decem elefanti, qui tunc erant Romae, mille ducenti gladiores pompabiliter ornati cum auratis vestibus matronarum, mansu[a]etae ferae diversi generis ducentae ornatu quam maximo affectae, carpenta cum mimis et omni genere histrionum, pugilles flacculis, non veritate pugillantes. Cyclopea etiam luserunt omnes apenarii, ita ut miranda quaedam et stupenda monstrarent. | (8,3) Des weiteren auf beiden Seiten 200 schneeweiße Lämmer und 10 Elefanten, die sich damals in Rom befanden, 1200 Gladiatoren, festlich herausgeputzt mit goldbrokatenen Frauengewändern, 200 gezähmte Tiere unterschiedlicher Gattungen, möglichst schön geschmückt, Wagen mit Mimen und jeglicher Art von Schauspielern, Faustkämpfer, die mit weicher Faustarmatur, also nicht für den Ernstkampf, ausgestattet waren. Auch gaben sämtliche Possnreißer das Spiel vom Kyklopen, wobei sie erstaunliche und verblüffende Leistungen zeigten. |
4 Omnes viae ludis strepituque et plausibus personabant. | (8,4) Alle Straßen hallten vom Lärm der Spiele und vom Beifall. |
5 Ipse medius cum picta toga et tunica palmata inter patres, ut diximus, omnibus sacerdotibus praetextatis Capitolium petit. | (8,5) Der Kaiser selbst begab sich, wie gesagt, inmitten der Senatoren, in gestickter Toga und in palmettenverzierter Tunika auf das Kapitol mit sämtlichen mit der Praetexta bekleideten Priestern. |
6 Hastae auratae altrinsecus quingenae, vexilla centena praeter ea, quae collegiorum erant, dracones et signa templorum omniumque legionum ibant. | (8,6) Zu beiden Seiten wurden im Zuge je 500 vergoldete Lanzen getragen, je 100 Fahnen außer den Zunftfahnen sowie Drachenstandarten und die Götterbilder der tempel und sämtlicher Legionen. |
7 Ibant praeterea gentes simulatae, ut Gothi, Sarmatae, Franci, Persae, ita ut non minus quam duceni globis singulis ducerentur. | (8,7) Außerdem gingen im Zug fingierte Fremdvölker wie Goten, Sarmaten, Franken und Perser, von denen nicht weniger als je 100 Mann eine eigene Gruppe bildeten." (Übers. nach E. Hohl) |
Literatur
E.W. Merten, Zwei Herrscherfeste in der Historia Augusta. Untersuchnungen zu den pompae des Kaiser Gallienus und Aurelianus, Beiträge zur Historia-Augusta-Forschung, Antiquitas, 5 (Bonn 1968) 1 ff.
U. Hartmann, Der Mord an Kaiser Gallienus, in: Deleto paene imperio Romano. Transformationsprozesse des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert und ihre Rezeption in der Neuzeit, hrsg. v. Klaus-Peter Johne, Thomas Gerhardt u. Udo Hartmann (Stuttgart 2006) 81–124.
A. Goltz - U. Hartmann, Valerianus und Gallienus, in: K.-P. Johne (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n.Chr. (Berlin 2008) 223–295.
M. Geiger, Gallienus (Frankfurt a. M. 2013)
weblinks: