stans missus bedeutet: stehend geschickt, d.h. ein noch kampffähiger bzw. lebender Gladiator darf die Arena nach einem unentschieden gewerteten Kampf zusammen mit seinem Gegner verlassen, natürlich nur nach Zustimmung des Publikums. Dies scheint nicht häufig vorgekommen zu sein, wurde aber gelegentlich auf Grabsteinen und anderen Darstellungen ausdrücklich erwähnt und muss daher als ein besonders bemerkenswerter Kampfausgang gegolten haben. Im Unterschied dazu bedeutete die missio die Entlassung bzw. Begnadigung des unterlegenen Kämpfers.

Lampe aus der Sammlung Martinetti (nach Mon. Piot 1895).

Quellen

Martial, de spectaculis liber 29:

Cum traheret Priscus, traheret certamina Verus,
esset et aequalis Mars utriusque diu, 
missio saepe viris magno clamore petita est;
sed Caesar legi paruit ipse suae; -
lex erat, ad digitum posita concurrere parma: -        
quod licuit, lances donaque saepe dedit.
Inventus tamen est finis discriminis aequi:
pugnavere pares, subcubuere pares.
Misit utrique rudes et palmas Caesar utrique:
hoc pretium virtus ingeniosa tulit.
Contigit hoc nullo nisi te sub principe, Caesar:
cum duo pugnarent, victor uterque fuit.

„Als Priscus genauso wie Verus immer noch weiterkämpfte
und lange Zeit der Ausgang für beide unentschieden war,
erbat man wiederholt mit lauten Rufen Gnade für die Männer.
Doch Cäsar hielt sich an sein eigenes Gesetz:
Sie sollten, so das Gesetz, einander ohne Schild angreifen, bis einer den Finger erheben würde.
Was ihm erlaubt war: Schüsseln und Geschenke, das gab er oft.
Dennoch fand sich schließlich ein Ende des unentschiedenen Kampfes:
Jeder dem anderen gleich fochten sie und gaben sich geschlagen.
Beiden ließ Cäsar den Stab und beiden die Palme reichen:
Diesen Preis brachte ihnen ihr Mut und ihre Geschicklichkeit ein.
Das konnte nur unter deiner Herrschaft, Cäsar, geschehen:
Obwohl zwei gegeneinander kämpften, waren beide Sieger." (Übers. P. Barié - W. Schindler)

Öffnet internen Link im aktuellen FensterMartial, ep. XII 28 (29), 7-8.
Öffnet internen Link im aktuellen FensterGrabstein des Exochus, CIL VI 10194.
Rom. Grabinschrift des Pardus; CIL VI 33983; ILS 5106; AE 1888, 83:

Diis / Manibus / |(contra)ret(iarius) / [Par]dus l(iber) v(ixit) a(nnos) XLVIII / [in ludo] Caesaris / [--- vixit] annis XX pugnavit / [---]V vicit XIX st(ans) exi(i)t / [--- libera]tus(?) sua morte obi(i)t / [--- lib(ertus) pat]rono suo b(ene) m(erenti) fecit

Literatur: P. Sabbatini Tumolesi, Roma, EAOR I (Rom 1988) 64.

Palermo. Grabinschrift des Flamma; CIL X 7297; ILS 5113:

Flamma s[e]c(utor) vix(it) ann(os) XXX / pugna(vi)t XXXIIII vicit XXI / stans VIIII mis(sus) IIII nat(ione) Syrus / hui(c) Delicatus coarmio merenti fecit

„Flamma, Öffnet internen Link im aktuellen FensterSekutor, lebte 30 Jahre. Er kämpfte 34 mal, siegte 21 mal, unentschieden 8 mal, begnadigt 4 mal, von Herkunft Syrer. Delicatus hat (den Grabstein) diesem verdienten Mitkämpfer machen (lassen)."

Literatur:  M. Buonocore, Regiones Italiae II-V, EAOR III (Rom 1992) 70.

Literatur

Darstellungen

Lampe; AO: Sammlung Martinetti, Rom (Öffnet internen Link im aktuellen FensterBild):

Inschrift: mis // Sabinus / Popillius

Lit.: Öffnet externen Link in neuem FensterW. Helbig, CRAI 1894, 343; A. Héron de Villefosse, Lampe romaine, Monuments et Mémoirs Fondation Eugène Piot 2, 1895, 95-98 Abb. 1.

Medaillonapplike aus Cavillargues (Audin - Wuilleumier).
Medaillonapplike; FO: Cavillargues; AO: Öffnet internen Link im aktuellen FensterNîmes, Öffnet externen Link in neuem FensterMusée archéologique:

Inschrift CIL XII 2747; ILS 5133 : Stan/tes / missi // Eros / Caes(aris) XVI // Xantus / Caes(aris) XV

Kampf des Retiariers Xant(h)us und gegen den Secutor Eros. Ihre Namen sind auf eigene Tafeln geschrieben, die auf Hermen (?) liegen. Xanthus kann 15 Siege, Eros 16 aufweisen, beide scheinen zu einer kaiserlichen Truppe zu gehören. Umstritten ist, ob der hier im Vordergrund dargestellte Kampf unentschieden endete oder sich das stantes missi auf die beiden kleinen Gladiatorenpaare am oberen Rand des Medaillons bezieht. Hinter den beiden großen Gladiatoren im Vordergrund steht in der Mitte der Schiedsrichter (Öffnet internen Link im aktuellen Fenstersumma rudis), rechts hinter Eros ein weiterer, dessen auffällige Haltung der ausgestreckten rechten Hand und dem nach unten gehaltenem Daumen als eine Geste für das Erbitten der missio interpretiert wurde..

Literatur: A. Pelet, Essai sur un bas-relief découvert en 1845 dans le territoire de Cavillargues, Mémoires de l'Academie du Gard, 1851, 39; E. und F. Germer-Durand - A. Allmer, Inscriptions antiques de Nîmes (Toulouse 1893) 444; A. Héron de Villefosse, Lampe romaine, Monuments et Mémoirs Fondation Eugène Piot 2, 1895, 95-98 Abb. 2; J. Sautel, La Provence romaine (Avignon 1929) 124 Abb.; E. Espérandieu, L'amphithéâtre de Nîmes, Petites monographies des grands édifices de la France (Paris 19672) Taf. XVII; A. Audin P. Wuilleumier, Les médaillons d'applique gallo-romains de la vallée du Rhône, Annales de l'université de Lyon (Paris 1952) 39 Nr. 34 Taf. II 34; J.-Cl. Golvin - C. Landes, Amphithéâtres et gladiateurs (Paris 1990) 198; A. Corbeil, Thumbs in Ancient Rome, Memoirs American Academy in Rome 42, 1997, 1-21, bes. 11 Abb. 1 (Öffnet externen Link in neuem FensterJSTOR); C. Vismara - M. Letizia Caldelli, Alpes Maritimae, Gallia Narbonensis, Tres Galliae, Germaniae, Britannia, EAOR V (Rom 2000) 1; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren (Mainz 2000) 134 ff. Abb. 213; Carte archéologique de la Gaule 30,2, 310.

Medaillon-Applike aus Arles (Abbildung: Audin - Wuilleumier 111).
Medaillon-Applike aus Lyon (Abbildung: Audin - Wuilleumier 112).
Medaillonapplike; FO.: Öffnet internen Link im aktuellen FensterArles; AO: Arles, Öffnet externen Link in neuem FensterMusée de l'Arles antique:

Inschrift: Missi // Thelon(i)cus / Imp(eratoris) XI // Sedulus

Kampf des Öffnet internen Link im aktuellen Fensterretiarius Thelon(i)cus und des Öffnet internen Link im aktuellen Fenstersecutor Sedulus. Hinter ihnen steht der Kampfrichter (Öffnet internen Link im aktuellen Fenstersumma rudis). Longus hat 11 Kämpfe hinter sich, der hier dargestellte Kampf endete unentschieden.

Gleich gestempelte Medaillons sind in 2 Exemplaren aus Vienne und aus Saint Croix erhalten. Der Name des Thelonicus ist noch von einer weiteren Medaillonapplike aus Lyon bekannt.

Literatur: Öffnet externen Link in neuem FensterF. Benoit, Gallia 1944, 252 f. Abb. 2; A. Audin - P. Wuilleumier, Les médaillons d'applique gallo-romains de la vallée du Rhône, Annales de l'université de Lyon (Paris 1952) 79 Nr. 111; Cl. Sintès (Hrsg.), Musée d'Arles antique (Arles 1996) 73 Nr. 55; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren (Mainz 2000)138 Abb. 218; C. Vismara - M. Letizia Caldelli, Alpes Maritimae, Gallia Narbonensis, Tres Galliae, Germaniae, Britannia, EAOR V (Rom 2000) 11,1; M. Droste, Arles. Gallula Roma - Das Rom Galliens (Mainz 2003) 84 Abb. 114.

Medaillonapplike; FO.: Öffnet internen Link im aktuellen FensterLyon; AO.: Öffnet externen Link in neuem FensterLyon, Musée gallo-romain D 118:

Inschrift: Sta(n)t(es) / missi // [---]sus Aug(usti) / XV

Kampf  zweier stantes missi.

Literatur: A. Audin - P. Wuilleumier, Les médaillons d'applique gallo-romains de la vallée du Rhône, Annales de l'université de Lyon (Paris 1952) 79 Nr. 112c; C. Vismara - M. Letizia Caldelli, Alpes Maritimae, Gallia Narbonensis, Tres Galliae, Germaniae, Britannia, EAOR V (Rom 2000) 4c; Carte archéologique de la Gaule, 69,2, 609.