Von den Pägniariern liegen nur wenige schriftliche Zeugnisse vor und keine wirklich zweifelsfreien Darstellungen. Am aufschlußreichsten ist die unten aufgeführte Stelle bei Sueton, aus der man schließt, dass sie in der Mittagspause auftraten und keine blutigen Kämpfe aufführten. Die Pägniarier kämpften nicht auf Leben und Tod und nahmen eine Zwischenstellung zwischen den venationes am Vormittag und den Gladiatorenkämpfen am Nachmittag ein, daher auch der Name ludus meridianus für deren Kämpfe (vgl. Seneca, ep. 7,3). Mitunter wurde vermutet, dass ihre Kämpfe eher der Belustigung dienten und man gerne Personen mit körperlichen Gebrechen oder Zwerge als Pägniarier auftreten ließ. Tatsächlich gibt es Darstellungen von Zwerggladiatoren, ob diese aber als paegniarius bezeichnet werden können, bleibt zweifelhaft. Trotz aller Unsicherheit ist die Benennung des unten gezeigten Mosaikbildes aus der Villa von Nennig als Kampf zweier Pägniarier weitgehend akzeptiert und auf diese Deutung stützen sich weitere Identifikationen.
Quellen
Sueton, Caligula 26:
Gladiatorio munere reductis interdum flagrantissimo sole velis emitti quemquam vetabat, remotoque ordinario apparatu tabidas feras, vilissimos senioque confectos gladiatores, proque paegniariis patres familiarum notos in bonam partem sed insignis debilitate aliqua corporis subiciebat. Ac nonnumquam horreis praeclusis populo famem indixit.
„Bei den Gladiatorenspielen ließ er bisweilen, wenn die Sonne am heißesten herabbrannte, die Sonnendächer zurückziehen und untersagte jedermann das Verlassen der Plätze. Darauf wurde der normale Gang der Spiele unterbrochen und es kamen ausgemergelte Tiere, die ältesten Gladiatoren und paegnarii und als besonderer Spaß ehrenwerte Familienväter, die aber irgendein körperliches Gebrechen hatten, in die Arena."
Rom, Inschrift eines collegium gladiatorum; CIL VI 631.
Rom, Sarkophagfragment; CIL VI 10182.
P(a)egniario
Die Inschrift stand auf dem Knie eines Eroten, das Fragment selbst gilt als verschollen.
Literatur: P. Sabbatini Tumolesi, Epigrafia anfiteatrale dell’Occidente Romano, I. Roma, Vetera. Ricerche di storia epigrafia e antichità, 2 (Rom 1988) 74 Nr. 80.
Rom, Grabinschrift; CIL VI 10168; ILS 5126:
D(is) M(anibus)
Secundo p(a)egni-
ario in culice ludi magn[i]
bene merenti
qui vixit annis
XCVIIII mensibu[s]
VIII diebus XVIII
familia l(udi) m(agni) fece(runt)
„Den Totengöttern. Dem Pägniarier Secundus ... des Ludus Magnus nach seinem Verdienst, welcher 98 (!) Jahre, 8 Monate und 18 Tage lebte, hat die Familia des Ludus Magnus setzen lassen."
Literatur: P. Sabbatini Tumolesi, Epigrafia anfiteatrale dell’Occidente Romano, I. Roma, Vetera. Ricerche di storia epigrafia e antichità, 2 (Rom 1988) 73 f. Nr. 79 Taf. XIX 2; R. Merkelbach - J. Stauber, Ein Paegniarius, Epigraphica Anatolica 33, 2001, 79 Nr. 1.
Amisos, Grabepigramm, SEG XXXIX 1340 (PHI):
„Ich, der ich einst spielte und allen Scherzworte zurief, schau, wie ich hier ganz allein liege, denn es ist sonst nichts anderes übrig, der Makedone Philokynegos, der unbesiegte Retiarier, der ich dasselbe Schicksal getroffen habe wie der bronzene Reif. Anatole (hat das Grabmal) für ihren Mann Philokynegos aus seinem eigenen Vermögen zu seinem Andenken (setzen lassen)." (Übers. nach Merkelbach - Stauber)
Die Identifizierung des Philokynegos als Pägniarier durch Merkelbach und Stauber beruht darauf, dass dieser ein scherzender und kein blutiger Gladiator war, wie es in der Suetonstelle oben angedeutet zu sein scheint.
Literatur: M. Ündemis - D. French, Epigraphica Anatolica 13, 1989, 92 f. Taf. 13; R. Merkelbach - J. Stauber, Steinepigramme aus dem griechischen Osten, II (München 2001) 235 f. 09/09/01; R. Merkelbach - J. Stauber, Ein Paegniarius, Epigraphica Anatolica 33, 2001, 79 Nr. 3; Chr. Mann, Die Gladiatoren (München 2013) 59 Abb. 10..
Darstellungen
Nennig, Gladiatorenmosaik.
In dem fraglichen Bildfeld kämpfen zwei ungepanzerte Gladiatoren gegeneinander. Ihre Kleidung erinnert eher an diejenige von Wagenfahrern als den üblichen Gladiatoren. Der linke kämpft mit einer Peitsche in der Rechten und einem Pedum-artigen Knüppel in der Rechten, wo er außerdem mit einer brettartigen Bandage am Unterarm geschützt ist. Der rechte Gladiator führt den Knüppel in der Linken, in der Rechten sieht man den Griff der Peitsche, außerdem ist seine linke Schulter mit Schutz versehen, der an den galerus der Retiarier erinnert.
Mechern, Wandmalereisockel; AO: Saarbrücken, Museum für Vor- und Frühgeschichte.
Das Sockelfeld zeigt einen Kampf zwischen zwei Leichtbewaffneten. Der linke ist mit grünen Hosen bekleidet und trägt darüber eine kurzämlige Tunika, die in der Taille mit einem weißen Gürtel umfaßt wird. Rotbraune Streifen verlaufen senkrecht über die Kleidung. Der von hinten ausholende rechte und ungeschützte Arm hält einen Stab, der unten in ein dünnes Band ausläuft und demnach nicht als das Kurzschwert des eques zu deuten ist, sondern analog dem Nenniger Mosaik als Peitsche. Der erhobene linke Arm ist bandagiert. Auf dem Kopf sieht man eine grün/braun schraffierte Kappe. Die rechte Figur stürmt von der Gegenseite heran und trägt ebenfalls ein grünes Gewand. Verwischte Farben lassen erkennen, dass der Kopf ebenfalls mit einer Kappe bedeckt war. Sein erhobener rechter Arm ist wiederum bandagiert und scheint mit seinem Gegner um eine Waffe zu ringen. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um ineinandergedrehte Lassos oder Knüppel. Der linke Arm ist angewinkelt und vor den Körper gehalten. Er ist in brauner Hautfarbe wiedergegeben und nicht bandagiert; über seinem Oberarm ist eine bläulichgrüne Schattierung sichtbar, vermutlich eine Armschiene, wie sie wiederum auf dem Nenniger Mosaik sichtbar ist. In der Hand hält er einen Knüppel.
Tusculum; Mosaikbild; AO: Vatikanische Museen:
Die Darstellung wurde auch als Kampf des Dionysos gegen die Inder gedeutet.
Literatur: J. Dechelette, Les gladiateurs pegniaires, Revue archéologique 1904/I, 308-316 Abb. 1.
Amiternum, Gladiatorenrelief; AO: Chieti, Museo nazionale, inv. 4424.
Die 4 linken Gladiatoren konnten von Facenna als Pägniarier gedeutet werden.
Applikengefäß; AO Vienne, Museum:
Inschrift:
CIL XII 5687,26:
Servandus
Salu-
tus
Die Darstellung des linken Gladiators ist unterschiedlich als laquearius oder als paegniarius gedeutet worden. Dechelette legte darauf Wert, dass er in seiner Rechten kein Lasso, sondern eine Peitsche halte und daher kein laquearius sein könne. Deutlich ist, dass der Dargestellte der gleichen Klasse wie die Kämpfer des fraglichen Mosaikfeldes in Nennig und des Malereisockels in Mechern angehören.
Literatur: J. Dechelette, Les gladiateurs pegniaires, Revue archéologique 1904/I, 311 f. Abb. 3; C. Vismara - M.L. Caldelli, Epigrafia anfiteatrale dell’Occidente Romano, V. Alpes Maritimae, Gallia Narbonensis, Tres Galliae, Germaniae, Britannia; Vetera. Ricerche di storia epigrafia e antichità, 14 (Rom 2000) 70 Nr. App. 3 Taf. LI 6.
Literatur
J. Dechelette, Les gladiateurs pegniaires, Revue archéologique 1904/I, 308-316.
RE Suppl. III (Stuttgart 1918) 777 s. v. gladiatores (K. Schneider).
M. Junkelmann, Familia Gladiatoria, in: E. Köhne - C. Ewigleben (Hrsg.), Caesaren und Gladiatoren. Die Macht der Unterhaltung im antiken Rom, Begleitbuch zur Ausstellung Historisches Museum der Pfalz Speyer, 9. Juli bis 1. Oktober 2000 (Mainz 2000) 70.
M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren (Mainz 2000) 128.